rta

Sie sind hier: Aktuelles - Turnierbericht AFRO 2019

Aktuelles

Turnierbericht AFRO 2019

19.08.2019

AFRO 2019

Oder warum Schach in Wirklichkeit ein Glücksspiel ist

 

Vom 08. - 11. August war es mal wieder soweit: Das Augsburger Friedensfest-Open – kurz: AFRO – fand statt. Da ich aus der schwäbischen Ecke komme, löst das immer etwas nostalgische Gefühle aus, da das AFRO das erste Open ist, das ich überhaupt gespielt habe. Außerdem finden sich immer zumindest einige IMs an der Spitze des Teilnehmerfeldes und ab und an verirrt sich sogar mal ein GM nach Augsburg.

 

Mit von der Partie (man vergebe mir das schlechte Wortspiel) waren Monik Gupta vom MSC 1836, Jan Komarov von München Südost und vom Roten Turm Ralf-Michael Großhans, Marharyta (ich spare mir den Nachnamen, da klar ist, wer gemeint ist und mir so niemand vorwerfen kann, ich hätte ihn falsch buchstabiert) und Paul Preßler.

 

Fast alle spielten das A-Turnier mit, nur Paul hatte eine etwas unglückliche Saison in der Liga hinter sich, war auf eine DWZ von 1899 gesunken und entschied sich daher in der Hoffnung auf einen Preis für das B-Turnier (bis 1900 DWZ). Eventuell haben wir ihn ein- oder vielleicht zweimal ganz subtil darauf hingewiesen (wir würden auf keinen Fall ständig auf das Thema anspielen), dass diese Entscheidung bestenfalls zu Kurzzeitgratifikation führen würde und aus schachlicher Sicht wohl falsch ist, aber letztendlich muss das jeder selbst entscheiden und (Spoiler) der Erfolg gibt Paul zumindest in einem gewissen Maße recht.

 

Tag 1

 

Das AFRO geht über 7 Runden. Donnerstag bis Samstag wird je eine Doppelrunde gespielt und am Sonntag Runde 7. Am Donnerstag morgen ging es überraschend pünktlich los mit Runde 1 (dies ist keine Kritik an der Organisation; es ist einfach viel zu tun und viele Schachspieler melden sich erst sehr kurzfristig an).

 

Simon Ritzka – Wilhelm Weigert (1907) 1-0

 

Schonmal ein guter Start. Nach Mittagessen beim Italiener sollte es in Runde zwei an Brett 1 gegen den Turnierfavoriten IM Stefan Mazur gehen. Also mental darauf eingestellt, dass auch bessere Spieler mit den gleichen 16 Figuren auskommen müssen und auf ans Brett.

 

Simon Ritzka – IM Stefan Mazur (2419) 0-1

 

Die Chance war da, aber es sollte an diesem Tag nicht sein. Naja. Ein Start mit 1 aus 2 war schon in Ordnung. Marharyta startete mit 2, Ralf-Michael, Monik und Paul mit je 1,5 und Jan mit 1 Punkt.

 

Tag 2

 

Tag 2 begann erstmal damit, dass ich verschlafen hatte. Glücklicherweise hatten wir bewusst ein kleines Polster eingeplant, so dass wir trotzdem nur ein paar Minuten nach Rundenbeginn eintrafen.

 

In Runde 3 ging es dann gegen Massimo Longo, einen Jugendlichen mit gut 1900. Eine unangenehme Situation, da solche Gegner normalerweise stärker spielen, als ihre Zahl vermuten ließe und ein Sieg trotzdem das nominell erwartete Ergebnis ist. Aber dann sollte es doch anders kommen. Nach einigen ungenauen Zügen stand ich schlecht, aber anstatt den (gut gespielten) Angriff mit dem siegbringenden Zug 25. Tf8 abzuschließen, stellte mein Gegner eine Figur ein und gab direkt auf.

 

Massimo Longo (1933) – Simon Ritzka 0-1

 

Marharyta musste gegen IM Boris Grimberg Federn lassen während Ralf-Michael gegen den jungen FM Vadim Lavrinenkov gewinnen konnte.

 

In Runde 4 dann dasselbe Bild: Wieder ein Jugendlicher, wieder ca. 1900 DWZ, wieder mit Schwarz ... und wieder sollte mein Gegner eine Figur einstellen, statt seinen klaren Vorteil nach Hause zu bringen.

 

Robert Vuckovic (1877) – Simon Ritzka 0-1

 

Unglaublich. Da hätte ich beide Partien einfach verlieren müssen und stattdessen stand ich mit 3 aus 4 da. Nunja. Über die Punkte will ich mich natürlich nicht beschweren, aber schachlich waren meine Gefühle zur Situation etwas zwiespältig.

 

Parallel hatten mit Ralf-Michael (gegen Aco Alvir an Brett 2) und Monik (gegen Christoph Singer an Brett 3) gleich zwei von uns die Chance, gegen Internationale Meister zu spielen, verloren aber beide und standen danach auf je 2,5. Marharyta musste eine unglückliche Niederlage einstecken und blieb bei 2. Jan konnte nach zähem Start mit einem Sieg ebenfalls seinen zweiten Punkt holen und Paul war mit 3,5 schon einer von nur noch vier Spitzenreitern im B-Turnier.

 

Tag 3

 

An Tag 3 gab es dann in Runde 5 für mich das Highlight des Turniers. Mein Gegner überließ mir früh einen Mehrbauern und musste diesem dann lange hinterherlaufen. Das intuitive Qualitätsopfer in Zug 29 war zwar insofern nicht ganz korrekt, dass schwarz einige mögliche Remis-Optionen hatte, aber er konnte seine praktischen Probleme am Brett nicht lösen.

 

Simon Ritzka – Marco Otte (2170) 1-0

 

Also stand ich bei 4 Punkten und durfte mir sogar Hoffnungen auf einen der Hauptpreise machen. Zunächst ging es aber in Runde 6 nochmal gegen einen starken Gegner.

 

Martin Michaelis (2298) – Simon Ritzka 0.5-0.5

 

Hier hatte mein Gegner (vermutlich) den Fehler begangen, mich aufgrund meiner doch deutlich niedrigeren DWZ-Zahl zu unterschätzen und dann in deutlich besserer Stellung nicht den sofortigen Gewinn zu suchen, da er (vermutlich) davon ausging, dass er auf lange Sicht sowieso gewinnen würde. Dadurch hatte er den klaren Gewinn mit 18. Lc4 übersehen und mich nochmal entkommen lassen.

 

Damit hatten sich die Chancen auf einen Preis deutlich konkretisiert. Ein Remis sollte mir zumindest irgendeinen Preis (Hauptpreise gab es bis Platz 7) sichern während mit einem Sieg sogar Platz 4 oder mit Glück Platz 3 drin wäre.

 

Auch Ralf-Michael war mit 4 Punkten theoretisch noch im Rennen, musste aber die letzte Runde leider aussetzen, womit das Turnier für ihn an dieser Stelle mit einem durchaus guten Ergebnis beendet war. Marharyta (nach einer weiteren unglücklichen Niederlage), Monik und Jan standen jetzt alle bei 3 aus 6 und Paul verlor in Runde 5 in einer äußerst spektakulären Partie gegen den sehr symphatischen späteren Sieger des B-Turniers. Hier die Partie, die ich aber mit weniger Details kommentiere, da sie ja nicht von mir ist. Nur auf die fantastische Option 28. Df6 möchte ich gezielt hinweisen.

 

Paul Preßler (1899) – Helmut Specht (1754) 0-1

 

Tag 4

 

Damit ging es dann also in die letzte Runde. Ich hatte das Glück, den Titelträgern auszuweichen und gegen einen schlagbaren Gegner gelost zu werden und wollte natürlich das beste daraus machen, zumindest aber einen halben Punkt holen.

 

Simon Ritzka – Daniel Birth (2042) 0.5-0.5

 

Ein Teilerfolg. Natürlich war ich etwas enttäuscht, dass nach dieser komplett einseitigen Partie kein ganzer Punkt heraussprang, aber andererseits muss man zum einen damit leben, dass eine Partie in der man kein Risiko eingeht mit einem Remis endet und zum anderen wäre ich vermutlich überglücklich gewesen, wenn mir vor dem Turnier jemand gesagt hätte, dass ich am Ende mit 5 Punkten dastehen würde.

 

Paul hatte sich mit einem Sieg zum Abschluss einen Treppchenplatz im B-Turnier gesichert, während Marharyta das Turnier mit einem hart erkämpften Sieg zumindest versöhnlich beenden und sich den Damenpreis sichern konnte.

 

Jan landete mit einem Remis zum Abschluss bei 50% und Monik musste seinem Gegner den vollen Punkt überlassen und beendete das Turnier mit 3 Punkten, die aber in diesem Feld auch ein brauchbares Ergebnis sind.

 

Dann ging es auf zur Siegerehrung und es war dank unglücklicher Feinwertung “nur” der 7. Platz geworden. Marius Deuer (Jahrgang 2008!) aus Ulm, der punkt- und buchholzgleich vor mir Sechster wurde, hatte sich dies mit einem abschließenden Sieg gegen IM Grimberg in einer der längsten Partien des Sonntags aber redlich verdient.

 

Ein Dankeschön an dieser Stelle an die Veranstalter vom SK Kriegshaber, die dafür bekannt sind, gerne auch mal mehr oder höhere Preise zu vergeben, als in der Ausschreibung angekündigt und sich wegen der knappen Wertung entschlossen, meinen Preis von 75€ auf die 100€ aufzustocken, die auch der Sechste bekam. Marharytas Damenpreis betrug ebenfalls 100€ und Paul als Dritter im B-Turnier gewann sogar 120€. Es war also durchaus ein erfolgreiches Turnier für den Roten Turm.

 

Damit war dann auch schon wieder alles vorbei und es ging zurück nach München. Wir hatten aber noch nicht genug von den 64 Feldern und ließen das Turnier im Biergarten (Hirschgarten) mit Analysen, Blitzpartien und Getränken ausklingen.

 

Fazit: Ein durchaus erfolgreiches Turnier. Wenn man jetzt auch noch schachspielen könnte und nicht in diesem Maße auf die Mitarbeit der Gegner angewiesen wäre, wäre es aber gleich noch viel schöner. In jedem Fall geht ein großes Kompliment an:

  • die Organisatoren, die ein reibungslos verlaufendes und angenehmes Turnier veranstaltet haben und spontan einige Preise aufgestockt oder zusätzlich vergeben haben.

  • meine Mitfahrer, die für gute Unterhaltung gesorgt haben, mich nicht sitzenließen als ich zu spät war, und insbesondere an Jan, der beim Austausch von Anekdoten über Schachturniere den Begriff "Hardcore-Hobbyspieler" ins Leben rief. Gemeint sind damit Spieler, die das königliche Spiel viel zu ernst nehmen, ohne auch nur annähernd in einem Spielstärke-Bereich zu sein, der dies rechtfertigen würde. Also beispielsweise Spieler, die beim Begleitturnier zur MEM gegen eine Anfängerin bei ihrem ersten Turnier auf "berührt-geführt" bestehen oder Spieler, die gar nicht einsehen wollen, dass die eine oder andere Partie veröffentlicht wird usw. Ich bin mir sicher, jeder kennt seine eigenen Beispiele für diese Gattung Schachspieler.

  • Monik, der sich als Fahrer zur Verfügung gestellt hat (ich erkläre dir auch jederzeit wieder gerne Endspiele).

  • alle, die beim Analysieren beteiligt waren, speziell an Ralf-Michael, und Marharyta, die viele Verbesserungen fanden (Die schachlichen Qualitäten der beiden lassen sich nunmal nicht verleugnen).

  • Paul, der uns mit der Entscheidung, das B-Turnier zu spielen, einen guten Anlass für blöde Kommentare gab (sorry, not sorry) und der auch die unterhaltsamste Partie des Turniers gespielt hat.

 

Das wars von meiner Seite und ich hoffe, man sieht sich in den nächsten Wochen mal beim einen oder anderen Schnellturnier.

 

- Simon

 

 
Powered by CMSimpleBlog

Powered by CMSimple | Template: ge-webdesign.de | Login

nach oben